Porträt Wolfgang Schödel

Unsere Reihe „Portrait“ präsentiert Fotografinnen und Fotografen, die uns durch bemerkenswerte Bilder aufgefallen sind. Wolfgang Schödel erzählt, wie er zur Fotografie gekommen ist und beschreibt seine fotografische Entwicklung. Und was ihm heute beim Fotografieren wichtig ist.

Fotografieren als Sehschule

Wolfgang Schödel, Foto Ursula v. Kiekebusch

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich anfing zu fotografieren. Aber es muss sehr früh gewesen sein. Mit neun oder 10 Jahren war ich im Besitz einer „GENOS rapid“, eine billige Kamera mit Rollfilm 6×6, 10 bis 12 Bilder pro Film, damit erkundete ich meine Umwelt. Ich fotografierte Familie, alle möglichen interessante und uninteressante Gebäude, Ereignisse, stieg bei Ausflügen zum Klassenfotografen auf, machte Bilder für die Schülerzeitung. Ich erinnere mich, dass es in der fünften Klasse Gymnasium eine Ausstellung gab, in der die „künstlerische“ Beschäftigung der Schüler dokumentiert wurde – selbstverständlich stellte ich dort meine Fotos aus.

Irgendwann kam dann die erste, wenn auch einfache Spiegelreflex und damit auch die Beschäftigung mit den technischen Grundlagen der Fotografie. Fotomagazine, Bildbände und das obligatorische „Heimlabor“ mittels Verdunkelung des Küchenfensters folgten.

Erster Kick und weitere Schritte

Der erste große Kick war eine dreiwöchige Kretareise 1972, zu der ich ganze drei Diafilme mitgenommen hatte, drei mal sechsunddreissig Bilder – wow. Alles war großartig: das erste Mal richtig raus. Alle Sinne wurden wach, wie es immer passiert, wenn ich in eine andere, fremde Gegend komme, das hat das Reisen für mich auch später immer ausgemacht. Hören, sehen, riechen, sehen. Das Fotografieren als Sehschule. Fotografieren, was man sieht, und das auch immer wieder reflektieren. Die visuelle Aufmerksamkeit wird dann eine ganz andere, intensiver, bewusster. Mit dem Fotoapparat siehst du anders. Was man gesehen und was man empfunden hat, mittels der Fotos anderen näher bringen: Das ist bis heute einer der Antriebe für mich. Und irgendwann sieht man auch ohne Fotoapparat anders, zielgerichteter oder intensiver.

Einen weiteren Schritt machte ich während meines Studiums der Stadtplanung. Im Seminar für Zeichnen wurde die Bedeutung des Lichts für die Darstellung von Architektur unermüdlich betont, da unterscheiden sich Zeichnen und Fotografie ja kein bisschen. Erst das Licht modelliert ja die Räumlichkeit in den Bildern, macht aus der flächigen Darstellung die Kubaturen und Formen deutlich. Und der Fachbereich verfügte über ein professionell eingerichtetes Fotolabor, da habe ich eine Menge Zeit drin verbracht und alle möglichen S/W-Techniken ausprobieren können.

Digitale Fotografie ersetzt nicht das gute Auge

Und dann kam die Digitalisierung. Erst zögerlich angenommen, ist sie heute mit ihren Möglichkeiten der Bildbearbeitung für mich zur Selbstverständlichkeit geworden. Ein gutes Auge ersetzt sie dennoch nicht.

Personen zu fotografieren reduzierte sich zunächst auf den Bekanntenkreis, also Familienfeiern, Feten, Uni und dergleichen. Auf Reisen hatte ich lange Zeit aus Respekt und einer gewissen Scheu vor fremden Menschen, darauf verzichtet. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass freundliche Gesten, Nachfragen oder ein kurzes Gespräch fast immer zum Ziel führen. Zudem glaube ich, dass ohne eine solche Interaktion es keine guten Portraits geben kann.

Lieblingsfotografen

Anselm Adams. Der im Verein mit seinem Laboranten unglaubliche Landschaftsbilder – meist in schwarzweiß – geschaffen hat.

Dann der große Meister der Street- und Sozialfotografie, Henri Cartier-Bresson. Er hat einen absolut präzisen Blick gehabt auf Situationen auf der Straße.

Der türkische Fotograf Ara Güler, der das Leben in Istanbul fotografiert und porträtiert hat – besonders das der kleinen Leute. Menschen, Plätze, Straßen, Hinterhöfe. Stadtfotografie mit großer Meisterschaft.

Stellvertretend für die Architekturfotografie Reinhart Wolf, der mit seinen Bildern von New Yorker Wolkenkratzern berühmt wurde.

Michael Martin, der gegenwärtig wohl bekannteste Reisefotograf, daneben aber auch all die weniger bekannten Fotografen von Magazinen wie GEO oder National Geographic.

Oder auch der Sozialfotograf August Sander. Die Außenseiterin Diane Arbus. Sebastião Salgado, dessen großartiges Buch „Workers“ die Arbeitswelt vor allem in Dritt- und Schwellenländern thematisiert. Michael Ruetz mit seinen Beobachtungen der Studentenbewegung und der DDR in den siebziger Jahren

Was mir wichtig ist

Sozialfotografie: Das war auch einer der Gründe, warum ich beim Fototeam mitmachen wollte. Und dass ich das, was ich im Laufe der Zeit in meiner Fotografie gelernt und entwickelt habe, sinnvoll anwenden kann – nicht nur privat, sondern auch öffentlich.

Wolfgang Schödel





Diesen Beitrag teilen