Die Fotografie ist meine große Leidenschaft
Unsere Reihe „Portrait“ präsentiert Fotografinnen und Fotografen, die uns durch bemerkenswerte Bilder aufgefallen sind. Diesmal stellt sich Anja Peschke vor. Sie erzählt, wie sie zur Fotografie gekommen ist und von ihren Erfahrungen mit unterschiedlichen Kameras und Techniken. Für sie ist die Fotografie ein ständiger Lern- und Veränderungsprozess, wobei man sich selbst wunderbar weiterentwickeln kann.
Wie ich zum Fototeam ver.di Hessen kam
Ich arbeitete erst ein paar Tage beim DGB-Bezirk Hessen-Thüringen, als mich Solveig mit ihrer offenen, freundlichen und direkten Art fragte, ob ich Lust hätte, zum ver.di-Fototeam zu kommen.
Als leidenschaftliche Fotografin und überzeugtes ver.di-Mitglied passte der Verein gut zu mir und ich war tief beeindruckt von den zahlreichen Projekten der vielen aktiven und engagierten Mitglieder. Manfred Semmler stattete mich mit einer ver.di-Fototeam-Weste aus und sendete mir neben zahlreichen Informationen zum Verein auch ein Buch des Fototeams zu dem Thema „Prekäre Beschäftigungen“. Es folgten weitere interessante Projekte, zum Beispiel zum Thema „Altersarmut“. Bei einigen Projekten konnte ich mich einbringen, allerdings nicht in dem Maße, wie ich gerne getan hätte, denn neben dem Beruf, meinen anderen Ehrenämtern und familiären Verpflichtungen bleibt nicht viel Zeit. Und dann möchte ich ja auch noch fotografieren…
Liebe auf den zweiten Blick
Die Fotografie stand bei mir zunächst unter keinem guten Stern. Nichts deutete darauf hin, dass die Fotografie in meinem Leben einmal eine so große Bedeutung haben könnte. Meine Eltern fotografierten selten und nur zu bestimmten Anlässen und so war für mich das Fotografieren eine lästige Angelegenheit, die ich gerne anderen überließ. Dies hatte zur Folge, dass ich heute so gut wie keine Bilder von Klassenfahrten oder anderen Ereignissen aus meiner Jugend habe. An meiner Einstellung änderte sich auch nichts, als ich die Fachoberschule für Gestaltung besuchte und ein Jahr lang wöchentlich vier Stunden Fotografie hatte. Wir lernten dort die Zusammensetzung der Entwickler- und Fixierflüssigkeiten, den Aufbau von Filmen und Fotopapieren, machten in der Dunkelkammer Belichtungstests und erfuhren die Unterschiede zwischen Gegenlicht und einer Belichtung von vorne. Wir bekamen eindrucksvoll gezeigt, dass meine makellose, attraktive Mitschülerin unter Streiflicht „eine Gesichtsbehaarung wie ein Affe“ hatte und am Ende des Schuljahres durften wir zwei Bilder mit der Großbildkamera erstellen.
Dann passierte es…
Ich kann heute nicht mehr nachvollziehen, was mich dazu bewog, bei meinen Eltern im Dachgeschoss nach etwas zu suchen, dass mein Leben bereichern sollte. Mit einer Vorahnung, dass sich in einem Hohlraum zwischen Wand und Dachsparren etwas Wunderbares befinden könnte, öffnete ich das Drempeltürchen. Ich holte die Reisekoffer, die Kiste mit dem Weihnachtsbaumschmuck und die Puppenküche hervor. Dann sah ich im Taschenlampenlicht, ganz am hinteren Ende des schmalen und niedrigen Gangs eine braune kunstlederne Tasche mit einem Klapptragebügel und einer Lasche an der ein Druckverschluss war. Ich krabbelte diesen Gang hinein, ergriff den Tragegriff und zog die dick verstaubte Tasche rückwärts krabbelnd hinter mir her. Im Hellen öffnete ich die dick verstaubte Lasche, klappte die die Tasche auf… und da war sie… unter einer Menge von Fotozubehör lag eine Kamera der Marke Adox. Es war eine Sucherkamera aus den 50er oder 60er Jahren. Sie befand sich in einem vorgeformten braunen Lederetui, das sich durch einem Druckknopf öffnen ließ. Die Kamera kam ganz ohne Elektronik aus, den Film musste man mit einem Hebel transportieren und zum Schluss mit einer Kurbel zurückspulen. Die Einstellungen von Blende, Belichtungszeit und Entfernung mussten manuell vorgenommen werden und der Ersatz für das nicht vorhandene Zoomobjektiv waren die Beine. Ich habe dann S/W-Filme gekauft und habe die wenigen Einstellungen ausprobiert. Ich fotografierte damals alles, aber hauptsächlich meinen Freundeskreis, Musikbands und den Frankfurter Hauptfriedhof. Von meinem Bruder bekam ich dann ein Vergrößerungsgerät und von da an war ich eine gute Kundin in Fotobedarfsgeschäften. In dieser Zeit fühlte ich mich wie eine Forscherin und rückblickend kann ich sagen, dass mir die Fotografie damals eine Freude bereitet hat, wie ich sie später nie wieder so empfunden habe.
Der Wechsel zu Digitalkameras
Von meiner ersten Ausbildungsvergütung – ich hatte inzwischen eine Ausbildung zur Druckvorlagenherstellerin begonnen – kaufte ich mir die erste Spiegelreflexkamera. Es war eine vollautomatische Kamera von Minolta und der Film wurde automatisch transportiert, was eine Menge an Batterien kostet. Zu jenem Zeitpunkt trat ich in die Gewerkschaft Druck und Papier ein, die später zur IG-Medien und letztlich zu ver.di wurde. Als gewerkschaftliche Vertrauensfrau begann ich Aktionen und Streiks zu fotografieren. Einige Bilder aus dieser Zeit hängen heute noch im Gewerkschaftshaus gegenüber dem ver.di-Postzimmer. Dann fiel mir die Kamera zu Boden und war defekt – leider ein Jahr zu früh, wie sich später herausstellte. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon Digitalkameras. Ich habe mich als Mediengestalterin auf die Bildbearbeitung spezialisiert und wollte auch meine privaten Fotografien gerne am Computer bearbeiten. Ich kaufte mir eine Kamera, die in Fachmagazinen sehr gut getestet wurde. Erst im Gebrauch bemerkte ich die ausgerissenen Lichter, die flächige Darstellung von roten Objekten und die verzögerte Auslösung, die aus jedem Bild einen Zufallstreffer machte. Die Entwicklung der Digitalkameras war noch in den Anfängen und so freute ich mich, als die Kamera nach drei Jahren den natürlichen Sensortod starb und ich sie nicht einschläfern lassen musste um mir eine neue Kamera kaufen zu können…
Fotografieren als ständiger Lern- und Veränderungsprozess
Das Fotografieren machte nun richtig Spaß und je mehr ich fotografierte, desto bewusster wurde mir, dass die Fotografie ein ständiger Lern- und Veränderungsprozess ist. Die Fotografie hat mich seither unglaublich bereichert. Sie beeinflusste meine visuelle Wahrnehmung, sie erweiterte meine Menschenkenntnis und wirkte sich zudem positiv auf meine Allgemeinbildung aus.
Fotografieren ist für uns Fotografen aber auch ein Anlass zum Sport – für ein schönes Fotomotiv gehen wir in die Natur, klettern, bücken und strecken uns. Gleichzeitig schalten wir auch ab und entspannen, wenn wir uns auf das Motiv konzentrieren.
Um mich weiterzuentwickeln sehe ich mir Kunstausstellungen an, versuche Filme mit den Augen der Kameraleute zu betrachten, lese Fachliteratur und besuche Seminare. Soziale Netzwerke können im günstigen Fall auch inspirierend sein. So treffe ich mich beispielsweise regelmäßig mit FB-Freunden auf Friedhöfen um dort gemeinsam zu fotografieren.
Inspiration und Experimente
Menschen, die mich fotografisch inspirieren, sind meine Schwester, die einen sehr guten Blick für Motive hat und auch mein Mann, der genauso leidenschaftlich fotografiert wie ich und mit dem ich mich über die entstandenen Bilder austausche.
Bilder empfinde ich dann gut, wenn sie den Betrachter berühren, im positiven Sinne irritieren oder im besten Falle zum Nachdenken bringen.
Wenn ich Zeit und Muße habe, versuche ich auch experimentell zu fotografieren. Die Ergebnisse sind unvorhersehbar aber das macht das Experimentieren auch so spannend.
Mittlerweile fotografiere ich auch gerne mit dem Smartphone. Mit ihm fotografiere ich spontaner und wähle ungewöhnlichere Perspektiven. Dennoch möchte ich das Smartphone nicht gegen meine DSLR mit seinen Möglichkeiten austauschen. Wie auch immer, die nachträgliche Bildbearbeitung gehört für mich auf jeden Fall zum Fotografieren dazu. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, Bilder zu verfremden. Durch die nachträgliche Bearbeitung bereite ich die Bilder so auf, dass sie meiner subjektiven Vorstellung und meinen Erinnerungen entsprechen. Diesen Aspekt vermittle ich auch gerne in meinen VHS-Kursen „Bildbearbeitung mit Photoshop Elements“.
Die Fotografie ist für mich eine große Leidenschaft und ein lebenslanges Hobby, das ich jedem empfehlen kann.
Anja Peschke