Leica-Welt und Altstadtflair
– unsere Fotoreise nach Wetzlar –
An einem Kanaldeckel bleiben wir stehen, machen Zwischenstopp bei der Erkundung der Altstadt von Wetzlar. Im Jahr 1914 wurde hier das erste Foto mit der Ur-Leica aufgenommen, von ihrem Schöpfer Oskar Barnack höchstpersönlich. Der pittoreske Blick ermuntert uns zur Wiederholung dieses Fotos. Zwölf TeilnehmerInnen aus dem Fototeam Hessen hat die diesjährige Fotoreise nach Wetzlar geführt. Der Eisenmarkt mit dem Fotopunkt ist nur eines der Juwelen im Fachwerkensemble der Altstadt. Vom Ufer der Lahn reiht sich ein Fachwerkhaus nach dem anderen bis hinauf zur Stadthalle. Fotomotive ohne Ende, im Großen wie im Kleinen. Eisenmarkt, Kornmarkt und Dom sind nur drei von vielen Höhepunkten. Rote Punkte auf dem Pflaster weisen uns auf besonders schöne Motive hin. Diese Punkte markieren Stationen des Rundweges vom Leitz-Park in die historische Altstadt. Ach ja, Goethe war natürlich auch hier, nicht an diesem Wochenende, sondern ein paar Jahre früher, hat hier Juristerei und Liebelei „studiert“.
Womit wir schon beim zweiten Teil unserer Fotoreise angekommen sind. Der ganze Samstag ist dem Leitz-Park gewidmet. Der Stadtbus bringt das Gros unserer Gruppe dorthin, ein kleinerer Teil kommt mit dem Auto, biegt am Kreisverkehr mit dem großen Globus von der Landstraße aufs Gelände ab. Im Jahr 2014 bezog die Leica Camera AG hier eine neue Produktionsstätte im großzügig angelegten Leitz-Park. Unser erstes Ziel ist das interaktive Ernst Leitz Museum. Eine Freitreppe führt uns vom großen Foyer in den ersten Museumsbereich. Unser Blick wird von einer überdimensionalen Blende angezogen und die Fotoapparate werden gezückt. Es folgen Technik und Geschichte der Marke Leica. Doch damit nicht genug: Fotostationen laden ein zum Experimentieren und zur Spielerei mit der Kamera. Windkanal, Farbenwechsel, Spiegelkabinett: Es gibt viel auszuprobieren. Abschließend werden wir zu einem Gang durch einhundert Jahre Leica-Geschichte eingeladen. Neben der Zeitleiste ziehen uns auch historische Fotos aus diesen einhundert Jahren an, so manches Foto ist weltbekannt geworden.
Die Kleinbildkamera – wenn Zufall und Genialität sich paaren
Die Firma Leitz baute Anfang des 20. Jahrhunderts neben Mikroskopen eine Vielzahl anderer optischer Geräte, unter anderem auch Kinokameras. Oskar Barnack, der 1911 als Feinmechaniker in die Leitz-Werke eintrat, entwickelte kurz darauf eine kleine Kamera, die mit einem Streifen des Kinofilms im 35mm-Format bestückt wurde, um die richtige Belichtung für die Aufnahme zu testen. Da ihm als Fotoamateur für Naturfotografie die klotzigen Fotoapparate zu schwer waren, entwickelte er aus dem oben geschilderten Modell eine kleine Kamera mit Filmen im 24x36mm-Format. Damit war die Kleinbildkamera geboren. Es dauerte jedoch aufgrund des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit noch bis zum Jahr 1925, bevor die Ur-Leica auf den Markt kam. Das war damals ein hohes wirtschaftliches Risiko, das sich jedoch schnell als Geniestreich herausstellte. Wer heute die Fotoapparate aus der Zeit vor der Ur-Leica sieht, fragt sich, warum die Kleinbildkamera nicht schon viel früher erfunden worden war.
Beim Verlassen des Gebäudes fällt uns wieder ein roter Punkt auf dem Boden ins Auge. Ein kleines Gruppenfoto im großen Spiegel ist das Ergebnis. Wir erfahren, dass das Besondere an diesem Gewerbepark von Leica ist, dass die Gebäude und die Leica-Welt von einer Gruppe von Architekten, Designern und Fotografen gemeinsam entworfen wurde. Ein Teil des Gebäudes, welches das Headquarter beherbergt, wirkt auf uns wie ein überdimensionales Objektiv.
An die Besucher ist ebenfalls gedacht worden. Ein Café mitten auf dem Gelände, ein Restaurant und ein Hotel laden zum Besuch und zum Verweilen ein. Natürlich darf ein Rundgang durch die Leica-Galerie im Headquarter nicht fehlen. Wir sehen ausdrucksstarke Bilder aus einhundert Jahre Leica und Auszüge einer Fotoreportage von dem französischen Fotografen Édouard Elias. Er hat im Jahr 2017 in dramatischen Bildern die Löscharbeiten an den brennenden Ölquellen im Irak festgehalten. Nur wenige Schritte hinter der Fotogalerie ist durch große Fenster ein Blick in die Leica-Werkstatt erlaubt.
Damit ist aber der Leitz-Park noch nicht zu Ende. Es schließt sich hinter den Gebäuden ein Naturlehrpfad durch den Leitz-Park Wald an. Entlang des gut drei Kilometer langen Pfades können wir, wie könnte es auch anders sein, eine Outdoor-Galerie bewundern. Den prallgefüllten Tag voller Eindrücke beschließen wir beim Abendessen im OSKAR’s Restaurant im Leitz-Park. Eigentlich, und da sind wir uns alle einig, ist ein einziger Besuchstag für die Leica-Welt zu kurz.
Leichter Nebel liegt über dem Lahntal, als wir am Sonntagmorgen nach Heuchelheim fahren. Kaum zu vermuten: In dem kleinen Ort wurde einst ein Fotoapparat mit Weltruhm hergestellt, die Minox. Geblieben ist die Erinnerung an eine große Zeit und ein Kameramuseum im ehemaligen Backhaus der Gemeinde. Museumsleiter Siegfried Jaedike erinnert uns bei seiner Führung an die erfolgreiche Zeit der Minox ebenso wie an ihren Niedergang. Doch das Kameramuseum bietet mehr. Auf drei Etagen bildet sich mit 3000 Exponaten die Geschichte der Fotografie ab. Heute möchte wohl niemand mehr mit der schweren Reisekamera aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts in den Urlaub reisen. Spannend ist es dennoch, die Entwicklung der Kameras von der klobigen Atelierkamera aus dem Jahr 1860 bis zur kleinen Minox A zu verfolgen.
Mit einem großen Dankeschön an Siegfried Jaedike verabschieden wir uns zur Mittagszeit und fahren weiter zur Burg Gleiberg. Steil führt die Straße durch Krofdorf bis zur Burganlage hinauf. Langsam hebt sich der Nebel und gibt den Blick auf die sonnige Landschaft frei. Bei einem gemeinsamen Mittagessen im Burgrestaurant findet unsere diesjährige Fotoreise ihren Abschluss.









































